FWG Idstein fordert konkrete Maßnahmen für eine bessere Barrierefreiheit in Idstein
Joachim Kilian: Mit dem Rolli durch die Idsteiner Altstadt
Was in der Überschrift wie ein fröhlicher Ausflug klingt, war es bei Weitem nicht. Andreas Ott, Fraktionschef der FWG, sowie sein Vertreter Joachim Kilian, trafen sich am 31. August 2022 in der Altstadt mit dem Vorsitzenden des Beirats für Inklusion und Barrierefreiheit Siegfried Neid. Er, selbst Rollifahrer, brachte einen zweiten Rollstuhl mit, mit dem Kilian und Ott einmal ausprobieren konnten, wie es ist, auf ein solches Gefährt angewiesen zu sein. Seit etwa 15 Jahren moniert Neid die Zustände in unserer Stadt im Hinblick auf die Menschen mit Handicap. Insgesamt zwei Bürgermeistern stellte er immer wieder die gleichen Forderungen aus dem damaligen Behindertenrat. Getan hat sich bisher sehr wenig. Viele Wünsche wurden mit der Begründung „Denkmalschutz“ oder „das ist viel zu teuer“ abgetan. Eine der Hauptforderungen ist eine behindertengerechte, rollstuhlgeeignete Toilette, die zentral in der Altstadt gelegen ist. Diese Forderung wurde in Form eines Antrags von Kilian im Ortsbeirat Idstein-Kern an den Magistrat gestellt und einstimmig befürwortet.
„Nun zu unserem Altstadttrip im Rolli. Start war der Parkplatz am Brauhaus.“, so Kilian. Er steuerte das Gefährt und machte schnell die Erfahrung, dass dies nicht so einfach geht. Auf den Pflastersteinen war das Spurhalten eine Herausforderung. Beim Rolli fahren wurde er richtig durchgerüttelt. Auch hier die Forderung des Beirats, einen Meter breite Fahrstreifen mit glatteren Steinen einzubauen, wie es in anderen Städten bereits erfolgte. Am König-Adolf-Platz war dann erhebliche Kraftanstrengung nötig, um bis in Höhe des Löwen Cafés überhaupt zu gelangen. Um ins Rathaus zu kommen, müsste man mit dem Rolli außen herumfahren, um an der Schlossgasse hinaufzufahren. Das hier befindliche sehr grobe Kopfsteinpflaster ist für Rolli Fahrer unüberwindlich. So sind dann auch diese Personen an den kulturellen Veranstaltungen in der oberen Schlossgasse (Weinfest, Altertumsmarkt, Sommerkino pp.) ausgeschlossen.
Ein von weitem nicht erkennbares Schild einer Rufanlage mit Klingel am Torbogen soll den Kontakt zwischen Rathausmitarbeitern und dem Gehbehinderten helfen. Hier wäre ein spezielles Piktogramm (blaues Schild mit Glocke) in etwa 2 Metern Höhe hilfreich, um die Klingel auch zu finden.
Siegfried Neid schilderte hier ein eigenes Erlebnis bei der Beantragung eines neuen Ausweises: Nach dem Klingeln erschien dann nach längerer Wartezeit ein Mitarbeiter des Rathauses mit einigen Papierbögen, um den Ausweis zu beantragen. Da weder Stuhl noch Tisch für ein ordnungsgemäßes Ausfüllen der Papiere vorhanden war, musste Neid den Antrag auf den Knien ausfüllen. Hierbei flatterten dann einige Blätter auf den Boden. Privatsphäre – Fehlanzeige.
Links des Torbogens befindet sich das „Schiefe Haus“, welches im Eigentum der Stadt Idstein steht. Vom Beirat kam auch hier ein Vorschlag, dass man hier ein ebenerdiges Sachbearbeiter Büro der Stadt einrichten könnte. Allen gebehinderten Menschen wäre damit der Aufstieg an den Treppen erspart und die Stadt hätte keine aufwendigen Investitionen für einen möglichen Aufzug oder Rampen. Dieses Ansinnen greift die FWG Idstein auf und stellt hierzu einen entsprechenden Antrag für die kommende Stadtverordnetenversammlung.
Eine Anfrage bei der Stadt, ob man einen Link für den Beirat für Inklusion und Barrierefreiheit in der Homepage bekommen könnte, wurde ebenfalls aus Kostengründen abgelehnt. Somit fehlen dann jegliche Informationen auf der Idsteiner Homepage für behinderte Besucher. Auch hierzu stellt die Idsteiner FWG einen Antrag für die Haushaltsberatungen.
Es sind noch viele Hürden (auch in den Köpfen von Verantwortlichen) zu meistern, so das Fazit von Ott und Kilian nach ihrer Exkursion. Es gibt aber auch schon konkrete Erfolge durch das Gespräch mit Herrn Neid. Im Nachgang zum gemeinsamen Rundgang wurde über den Idsteiner Mängelmelder ein für Rollstuhlfahrer gefährlicher Gullideckel am Zebrastreifen vor dem Schuhhaus Flinner in der Limburger Straße durch die Stadt ausgetauscht. „Das motiviert auf jeden Fall die anderen Themen anzugehen und hartnäckig an dem Thema Barrierefreiheit dran zu bleiben“, so Ott abschließend.
Antrag – Mehr Barrierefreiheit in Idstein
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
- Der Magistrat möchte, in Zusammenarbeit mit dem Beirat für Inklusion und Barrierefreiheit, ein Maßnahmenplan für die Jahre 2023ff für die Haushaltsberatungen 2023 erstellen. Dabei sollen vorrangig folgende Punkte berücksichtigt werden:
a) Barrierefreier Zugang zum Bürgerbüro – Prüfung des Standortes Schiefes Haus
b) Behindertengerechte Toilette inklusive Wickeltisch – Prüfung des Standortes Schiefes Haus
c) Ausbau der Fahrspuren für Rollatoren, Rollstühle und Kinderwagen in der Idsteiner Altstadt von zumindest einem (1) Meter Breite - Zu Punkt 1) a) bis c) wird der Magistrat gebeten, unter Beteiligung des Beirats für Inklusion und Barrierefreiheit, eine Prioritätenliste inklusive einer Kostenaufstellung für die Haushaltsberatungen 2023 inklusive Folgejahre der Stadtverordnetenversammlung vorzulegen. Dabei wird der Magistrat gebeten einen Vorschlag vorzustellen, wie viele € pro Jahr künftig regelmäßig für Maßnahmen zur Erreichung der Barrierefreiheit eingestellt werden (Barrierefreiheitsfond).
- Der Magistrat wird um einen Vorschlag gebeten, welche Kostenbeteiligung für die Öffentlichkeitsarbeit (z. B. zur Erstellung einer Webseite und deren regelmäßige Unterhaltung, Banner und Flyer) in den Haushalt 2023 eingestellt werden können.
- Der Magistrat wird gebeten zu berichten, welche Maßnahmen für einen barrierefreien Zugang des DGH in Oberauroff vorgeschlagen werden. Hierbei sind auch mögliche Varianten inklusive der jeweiligen Kosten aufzuführen.
- Der Magistrat wir gebeten bei künftigen Planungen von Festen einen möglichst barrierefreien Zugang zu gewährleisten. Der Beirat für Inklusion und Barrierefreiheit sollte hierbei angehört werden.
Begründung:
Der Beirat für Inklusion und Barrierefreiheit leistet seit vielen Jahren eine engagierte Arbeit und bringt immer wieder Anregungen gegenüber der Verwaltung und Stadtpolitik vor. Leider war die entsprechende „Umsetzungsquote“ bisher nicht sehr hoch. In einer der diesjährigen Sitzungen des Gremiums verdeutlichte der bisherige Vorsitzende, Herr Neid, sehr eindringlich, welche Maßnahmen dringend erforderlich sind. Hierzu hat die FWG einen entsprechenden Maßnahmenplan erstellt, der Zug um Zug umgesetzt werden sollte.Darüber hinaus sollte dem Beirat ein jährliches Budget für administrative Aufgaben und Außendarstellung (Webseite, Banner, Flyer etc.) zur Verfügung gestellt werden. Für das DGH in Oberauroff fordert der dortige OBR seit vielen Jahren einen entsprechenden Zugang. Hier sollten endlich entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Außerdem sollen bei künftigen Veranstaltungen und Festen auch
die Belange von Menschen mit Einschränkungen mehr berücksichtigt werden. So ist das Weinfest in der Oberen Schloßgasse für Rollstuhlfahrer praktisch nicht zugänglich. Auch stellen die Kabelkanäle für die Stromkabel häufig eine unüberwindbare Barriere dar.